Estragon
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Estragon (Bild Hans/pixabay) -
(Artemisia dracunculus) Bertram, Schlangenkraut, Tarragon.
Estragon ist eine zwischen 60 und 150 cm hohe, buschig verzweigte Pflanze mit lanzettförmigen Blättern und unscheinbaren gelb-grünen Blüten, die in unseren Breitengraden keine Samen bilden. Man unterscheidet zwischen "echtem" Estragon (deutscher und französischer) oder russischem Estragon. Dieser ist zwar unempfindlicher und somit für den Anbau im Garten geeigneter, im Geschmack jedoch weniger aromatisch, mit Kerbelartigem, leicht bitteren Beigeschmack.
Herkunft: Es gibt Russischen und Deutschen Estragon. Der Russische ist anspruchsloser, kräftiger, herber und nicht so aromatisch.
Der Deutsche ist aromatischer und kommt aus den südlicheren Ländern.
Artemisia dracunculus
Verwendung: Es werden nur die Blätter verwendet (die Stiele für Estragonessig usw.).
Die alten Blätter sind Bitterer als die jungen.
Es ist verwand mit dem Beifuß und dem Wermut.
Gesundheit: Verdauungsfördernd, Harntreibend und gegen Gelenkrheumatismus.
Geschichte: Es ist kein lautes, kein hartes, kein aggressives Gewürz. Keines mit dem man billig Staat machen kann. Keine Konkurrenz für Durstwecker wie Curry, Chilli, grüner Pfeffer & Co., mit denen man so erfolgreich alles hinwegwürzt, was billig oder gar nicht mehr schmeckt. Ein Tip für Kenner also? Mehr: Eine Herausforderung für Könner; ein Maß an dem sich exzellente Köche und echte Feinschmecker gleichermaßen messen lassen. Das Gewürz der Haute Cuisine schlechthin, ein Feinschmeckerkraut par excellence.
Im Gewürzsortiment der gehobenen Normküche sucht man ihn meist vergeblich. Wer bereitet schon, wer benötigt schon (und wozu bitte) Estragonessig? Auch wer in Italien und Spanien noch so neugierig in die Kochtöpfe schnuppert, stößt nicht auf ihn.
Man kennt ihn kaum. Vielleicht hat man ihn auch nur vergessen; schließlich soll schon Plinius das "Drachenkraut" (als heilsam gegen Schlangenbisse) empfohlen und Estragon gemeint haben.
Es gibt nämlich mehrere Gewächse, die im Mittelalter den Namen "Drancunculus" erhielten, den Estragon heute noch als Beinamen führt. "Tarchon" nannte ihn der große Gessner. Als "Dragun" führen ihn noch deutschsprachige Bücher des 18. Jahrhunderts. In Frankreich entstand aus dem "Targon" später die heutige Bezeichnung.
Estragon stammt nicht wie viele andere duftende Gewürze aus dem mediterranen Raum; er kommt aus Zentralasiens weiten Steppen. Dort, an Rußlands mächtigen Strömen, in den Grasfluren Sibiriens, ist auch seine an die 250 Arten umfassende Sippe, die Korbblütlergattung Artemisia, beheimatet. Ihr gehören so bekannte Pflanzen wie Edelraute, Beifuß und Wermut an. Damit erscheint auch die feinherbe Würzkraft des Estragons verständlich; ebenso die Tatsache, daß alte Kräuterbücher ihn als gut für den Magen und Verdauung preisen.
In der "Historie des Plantes" (Lyon, 1639) steht der viel entscheidendere Hinweis: "On la mange en salade & on la met dans les sausses pour leur donner gout".
Die Franzosen hatten also bereits erkannt, daß Estragon Salaten und Saucen den rechten Geschmack verleiht.
Mit den "wilden Tataren" den immer wieder nach Westen ziehenden Reitervölkern des Ostens, kam das Kraut ins Mittelmeergebiet und mit den Kreuzfahrern nach Westeuropa. So ließe sich auch erklären, daß - angeblich - in Eng-land der "Taragon" im 16. Jahrhundert in jeder Küche zu finden war. Später freilich scheint er dort wie viele andere Gewürze ausgegangen zu sein.
An Würze und Schärfe hat das Estragonkraut mit seiner Übersiedlung aus Nordasien in die wärmeren Gefilde überhaupt gewonnen. Die Qualität ist aber für kein anderes Gewürz so wichtig wie für ein Sologewürz. Nicht in Mischungen und Kombinationen entwickelt Estragon seine besondere Note, sondern im Alleingang.
Es gibt wohl für kein anderes Küchenkraut so viele und so ausgesprochene Feinschmeckerrezepte. Am Anfang und an der Spitze steht dabei die Sauce bearnaise, für viele die "Königin unter dem Saucen". Aber Estragon kann noch viel mehr. Er verzaubert, veredelt, prägt viele Gerichte. Grünen Salat etwa, Ragouts, Bohnengerichte, Fleischfüllungen, Tatar, Eier, Lamm- und Kalbsbraten und, nicht zu vergessen Hühnchen. Doch auch eine Seezunge mit Estragon ist eine Köstlichkeit.
"Mehr Mut um Estragon", möchte man also ausrufen. Gleichzeitig aber auch dazu vermerken, daß dieses Gewürz sehr behutsam, sozusagen mit zarter Hand, angewandt sein will. Das gilt fürs Zweiglein in der Essigflasche ebenso wie für die feine Prise in der Kräuterbutter, in der Schneckenbutter oder in der Sauce zum Siedfleisch.